Erzherzog Ludwig Viktor

Der wohl bedeutendste Bewohner des Schlosses Kleßheim ist Ludwig Viktor von Österreich. Er wurde am 15. Mai 1842 in Wien geboren. Er war österreichischer Erzherzog; jüngster Bruder von Kaiser Franz Josef, Kaiser Maximilian von Mexiko und Erzherzog Karl Ludwig. Er wurde „Luziwuzi“ genannt. Das Ereignis seiner wurde von der Öffentlichkeit in gebührender Weise wahrgenommen und zu seiner Taufe war immerhin der päpstliche Nuntius Altieri mit großem Gepränge erschienen.

Als Kind erlebte er bei Ausbruch der Revolution im Jahr 1848 die Flucht der kaiserlichen Familie nach Innsbruck und begleitete sie später, als die Lage in der Reichshauptstadt erneut bedrohlich wurde, nach Olmütz. Für den damals Sechsjährigen bedeuteten diese Ereignisse freilich kaum mehr als ein Abenteuer. Es spricht jedoch für sein empfindsames Gemüt, daß er beim Anblick eines an Händen und Füßen gefesselten Gefangenen, der zum Tode verurteilt worden war, um dessen Freilassung bat.

Auf die künstlerische Begabung konnte man im Kaiserhaus keine Rücksicht nehmen und er wurde wie alle Erzherzöge für den Dienst beim Militär ausgebildet. Er brachte es zum General der Infanterie und Inhaber eines Regiments mit seinem Namen. Auf seine ganz anders gearteten Anlagen und Begabungen nahm man dabei keine Rücksicht. Der kinderlose Maximilian plante, Ludwig Viktor als seinen Erben in Mexiko einzusetzen und ihn mit der Erbin des Kaiserreiches Brasilien zu verheiraten. Ludwig Viktor widersetzte sich diesem Plan erfolgreich und fiel bei Hof nur noch durch zahlreiche Skandale und Tratschereien auf.

Er besaß jedoch weder militärischen noch politischen Ehrgeiz. Das Hauptinteresse des Erzherzogs galt hingegen der Kunst, mit der er sich von Jugend an beschäftigt hatte. So ließ er als erstes Bauwerk auf dem heutigen Schwarzenbergplatz ein Prachtpalais errichten, das nach den Plänen des bekannten Architekten Heinrich Ferstel im Stil der Renaissance erbaut wurde, und stattete seinen neuen Wohnsitz mit erlesenen Kunstschätzen aus, die teils aus dem Besitz seines Vaters stammten, teils von ihm selbst erworben worden waren. Seine angebliche homosexuelle Neigung war ein offenes Geheimnis, wobei Ludwig jedoch auch ein langes Verhältnis mit der Tänzerin Claudia Couqui hatte. Der Kaiser hätte über ihn gesagt: Man sollte ihm eine Ballerina als Adjutant geben, dann wird nichts passieren.

Erzherzog Ludwig Viktor Am Wiener Hof erfreute sich jedoch Ludwig Viktor keiner besonderen Beliebtheit, und das Urteil über ihn war zwiespältig. Vor allem die Kaiserin Elisabeth begegnete ihm mit Mißtrauen. Sie warf ihm Zwischenträgereien und böswillige Unterstellungen vor und brach deshalb den persönlichen Verkehr mit ihm ab, obwohl er ein Bewunderer ihrer Schönheit war. Ludwig Viktor erschien in der Tat als eine schillernde Persönlichkeit. Da es ihm in jungen Jahren an Selbstsicherheit, Kraft und Standfestigkeit fehlte, überspielte er seine Unzulänglichkeit durch anmaßendes Auftreten und versuchte, sich auf diese Weise zur Geltung zu bringen. Scharfsinnig hatte eine Hofdame der Kronprinzessin Stephanie die psychologischen Hintergründe für sein Verhalten erkannt und ihn mit den Worten charakterisiert: "Ludwig Viktor war von der Natur stiefmütterlich behandelt. Eine schwächliche Erscheinung, eher häßlich, suchte er durch ein geziertes, hochmütiges Gebaren sich selbst über seine Mängel hinwegzutäuschen." Um so tiefer fühlte er sich in seiner Selbstgefälligkeit getroffen, als die bayrische Prinzessin Sophie, eine Schwester der Kaiserin Elisabeth, die er auf Betreiben seiner Mutter heiraten sollte, ihm eine Absage erteilte.

Erzherzog Ludwig Victor war eines der intelligentesten und amüsantesten Mitglieder der österreichischen Herrscherfamilie, auf jeden Fall die schillerndste Persönlichkeit unter seinen Geschwistern. Gesellig und weltoffen, einer typischer Grandseigneur seiner Zeit, dessen Empfänge als Eintritt in die große Welt galten, öffnete er sich vorurteilsfrei jedem interessanten Menschen. So handelte er als Gastgeber und als Gast in den Salons, in denen er sich durch seine witzigen, mitunter scharfzüngigen Bemerkungen besonderer Beliebtheit erfreute. Die Fürstin Nora Fugger nannte seine Zunge scharf wie die einer Giftschlange". Ludwig Victor besuchte häufig das Theater und Ausstellungen und sammelte Antiquitäten, Porzellan und Gemälde, ja sogar Aufnahmen der damals jungen Photokunst. Mitunter griffen er und seine Freunde auch selbst zur Kamera.

Ludwig Viktor zog 1861 oder 1864 nach Salzburg. Dorthin hatte man bereits die Kaiserin-Witwe Caroline Auguste abgeschoben, deren Anwesenheit in Wien vor allem von der dominanten Erzherzogin Sophie unerwünscht war.

Er war Gast des Centralbades. Brillantbesetzte Golduhren, Liebesgaben Ludwig Viktors an seine Lustknaben erblickten regelmäßig im Pfandl in der Dorotheergasse das Licht des Tages. Als er sich hier einst einem kaiserlichen Offizier näherte, kam es zu einem Handgemenge, Ludwig Viktor bekam ein blaues Auge.

Man behauptet, daß Ludwig Viktor fortan aus Wien nach Schloß Kleßheim bei Salzburg verbannt wurde, da dieser Vorfall nicht zu vertuschen war. Tatsächlich war Ludwig Viktor an dieser Schlägerei im Centralbad (heute Kaiserbründl) beteiligt, dies tat jedoch seinen Beziehungen zu seinem kaiserlichen Bruder und seiner Familie keinen Abbruch, wie seine Privatkorrespondenz beweist. Die Geschichte von der Strafversetzung geht eher auf eine klatschsüchtige Fürstin zurück, die sich in ihren Memoiren als Vermittlerin zwischen dem Erzherzog und dem Kaiser darstellte, was aus der Korrespondenz der beiden jedoch nicht bestätigt werden kann.

Als leidenschaftlicher Kunstsammler erwies er sich auch später in Salzburg, wo er das Schloß Kleßheim nach seinem Geschmack einrichtete. Nach seinem 1864 - also vor der angeblichen Verbannung - erfolgten Umzug nach Salzburg widmete er sich weiter neuen Bauten (z.B. der Errichtung des Kavaliershauses auf Schloß Kleßheim im Jahr 1879), wohltätigen Spenden und der Kunstförderung (er war Mäzen des Salzburger Kunstvereins). Das Kavalierhaus gab zudem Ludwig Viktor die Gelegenheit, seine Sammlungen zu erweitern. Der Erzherzog führte zunächst in Salzburg ein zurückgezogenes Leben. Auch mit Caroline Auguste stand er nur in loser Verbindung. Es scheint sich jedoch mit dem Wandel seiner äußeren Lebensumstände auch ein Wandel seines Denkens vollzogen zu haben.

Nach dem Hochwasser 1899 spendete Ludwig Viktor eine große Summe Geld. Er gestattete eine riesige Wohltätigkeitsveranstaltung in seinem Schloß und Park. Er unterstützte Waisen und Waisenkinder, trat für unentgeltliche Krankenbehandlung von Armen in Spitälern ein, setzte Freiplätze für Studenten durch, richtete Ausspeisungen für Obdachlose ein und förderte und gründete zahlreiche Hilfsorganisationen und karitative Vereine. Daneben wurde er Mitbegründer und Förderer einer großen Zahl caritativer Vereine sowie anderer Hilfsorganisationen. Sein Kunstsinn legte es nahe, daß man ihn zum Protektor des neu gegründeten Kunstvereines machte, der sich der Förderung des Salzburger Kunstschaffens widmete und zur Entstehung des Künstlerhauses führte. Als nach dem Tod der Kaiserin Elisabeth ein Stadtteil nach ihr benannt wurde und der Gedanke aufkam, ihr hier auch ein Denkmal zu errichten, übernahm Ludwig Viktor ohne Zögern den Vorsitz dieses Komitees. Ihm war es auch zu danken, daß mit dem Werk des Bildhauers Hellmer, der ihre Gestalt voll Anmut vergegenwärtigte, Salzburg das wohl schönste Elisabeth-Denkmal erhielt.

Der Kaiser ernannte 1896 Ludwig Viktor zur Aufsichtsperson über das Österreichische Rote Kreuz. Der Erzherzog erklärte, er bringe der Gesellschaft des Roten Kreuzes "das lebhafteste Interesse und aufrichtige Sympathie entgegen", und unterstrich dies durch eine Spende von 10.000 Gulden. Daraufhin bereiste er fast alle Gebiete der österreichisch-ungarischen Monarchie, um die Einrichtungen und Tätigkeiten des Roten Kreuzes zu inspizieren und zu verbessern.

Die Stadt Salzburg würdigte das Wirken des Erzherzogs mit der Namensgebung des Alten Markts in Ludwig-Viktor-Platz (bis 1927). 1901 wurde ihm zu Ehren die Lehener Brücke über die Salzach in „Ludwig-Viktor-Brücke“ umbenannt, das an sein Eintreffen in Salzburg vor vierzig Jahren erinnerte.

Er war aber auch der Gemeinde Siezenheim verbunden. 1906 kam es zur Gründung der Volksschule Siezenheim, eine Schenkung von Erzherzog Ludwig Viktor. 1911 schnalzen zu Ehren des Erzherzoges Ludwig Viktor je eine Bauern-, Burschen- und Schulknabenpasse aus Siezenheim auf der Schloßwiese in Kleßheim, wofür es einen Golddukaten gab, der heute noch im Safe der Raika verwahrt ist. Alte Siezenheimer erzählen, daß der Erzherzog in vollem Galopp durch das Dorf fuhr und dabei Zuckerl in die Menge warf, die auf die Gasse geeilt war.

Volksschule Siezenheim

Eine in den letzten Lebensjahren eintretende geistige Umnachtung ließ den bei den Salzburgern beliebten Erzherzog zurückgezogen auf seinem Schloß leben. 1915 wurde über Ludwig Victor aufgrund einer Geisteskrankheit die Kuratel verhängt. Er starb am 18. Jänner 1919 auf Schloß Kleßheim und ist seinem Wunsch gemäß am Ortsfriedhof von Siezenheim begraben.

Der Grabstein trägt keine Namen, lediglich folgende Inschrift:

Meinem Kaiser (Franz Josef I.) Dank!
Die Seele Gott - in Buß’ und Reue,
Der starren Erde meine Hülle.
Dafür, was sie mir einst im Leben,
Den Dankesgruß an meine Freunde,
Und all den Blinden mein Vergeben,
Die, - unverdient, mir etwa Feinde.

 

Quellen:

Die Regenten Salzburgs

Ludwig Viktor, ein Gönner Salzburgs, von Lieselotte von Eltz-Hoffmann


Akt. am 25. Sep. 2011