Der brave Soldat Schweijk

 

 

Uraufführung: 22. Sep. 1960 im Ufa-Palast (Köln)

nach einem Roman von Jaroslav Hasek

Heinz Rühmann (Jozef Schwejk)

Ernst Stankowski (Oberleutnant Lukas)
Ursula von Borsodi (Kathi)
Erika von Thellmann (Baronin)
Franz Muxeneder (Woditschka)
Jane Tilden (hundeausführendes Hausmädchen)
Senta Berger (Gretl)
Fritz Imhoff
Rudolf Rhomberg
Fritz Eckhardt
Hugo Gottschlich (Wachtmeister Flanderka)
Michael Janisch
Fritz Muliar (russischer Soldat)
Hans Unterkircher
Erik Frey
Erland Erlandsen
Egon von Jordan
Hans Thimig
Guido Wieland
Edith Elmay
Alma Seidler
Marisa Mell (Olly)
Raoul Retzer

Regie: Axel von Ambesser
Produktion: CCC-Film

Der böhmische Hundehändler Schwejk lebt friedlich in Prag, als der Erste Weltkrieg ausbricht. Erst wird er wegen Hochverrats eingesperrt, dann wird er Soldat.

Mit seiner Einfältigkeit und Tollpatschigkeit übersteht er alle Situationen und Gefahren: im Lazarett und dann als Offiziersbursche. Hier muß er bei dem Oberleutnant Lukas delikate Aufträge erledigen. Aber als er ihm einen Hund bringt, der in Wirklichkeit einem anderen Offizier gehört, werden die beiden an die Front versetzt.

Im Zug stört der Tollpatsch wieder, und als er die Notbremse zieht, wird er an einem Bahnhof ausgesetzt und schließlich als Spion verhaftet. Lange nach seinem Oberleutnant kommt er in der Frontetappe an, und schon wieder bereitet er durch seine Tollpatschigkeit Unglück: sein Oberleutnant und er müssen an die Front.

Der Schwejk endet schließlich vor dem Standgericht, aber da wird er in letzter Sekunde vom Kriegsschluß gerettet.

"Nach dem Krieg um 6" sitzt er wieder in seinem Restaurant, zusammen mit dem Freund Woditschka, dem Wirt, dessen Frau und dem Polizeispitzel. Der Kaiser hat den Krieg verloren, Woditschka sein Bein, aber "an den Krieg, da wird er noch wochenlang denken müssen".

 

Eine bitterböse Satire des tschechischen Nationalisten Jaroslav Hasek auf die k.u.k. Monarchie. Der Roman hat Weltruhm und ist vielleicht das international bekannteste Werk tschechischer Literatur. Ist das Buch sehr von der nationalistischen Seite geprägt, filtert der Film dieses heraus und macht den Stoff zu einem zeitunabhängigen Meisterwerk. Dies trifft auch auf den Film zu, trotz der sichtlichen Schwierigkeiten, die Heinz Rühmann mit seiner Rolle hatte.

Zunächst hatte Heinz Rühmann wochenlang Unterricht in Böhmisch-Deutsch genommen, dann wurden einige Szenen dem norddeutschen Sprachraum zuliebe in Hochdeutsch neu gedreht.

 

aus Heinz Rühmanns Erinnerungen über diesen Film:

Der brave Soldat Schwejk" ist mir in der Erinnerung der liebste Film. Wahrscheinlich liegt es daran, daß ich mit dieser Figur größere Schwierigkeiten hatte als mit dem Schuster Voigt. Den Hundefänger Schwejk, Josef konnte ich lange nicht in den Griff bekommen, trotz freundschaftlicher Hilfe durch Axel von Ambesser, den Regisseur. Die Kardinalfrage, die sich jeder Schauspieler stellen und beantworten muß, der diese Figur verkörpert, lautet: Ist Schwejk dumm, oder tut er nur so? Steckt in diesem borstigen Schädel nicht ungeheuer viel Schläue? Ich habe versucht, beides anzudeuten, ein bißchen in der Schwebe zu lassen. Dabei ist mir erstmals richtig klargeworden, wie schwer es ist, einen Dummen zu spielen, der vielleicht gescheiter ist als wir.

Es galt, den schmalen Weg zwischen Dummheit und Hintersinn für die Darstellung zu finden, wenn es gelingen sollte, das Filmpublikum mit der gleichen Frage zu konfrontieren wie die Leser des Romans: Ist Schwejk klüger oder dümmer als wir? Dieser "behördlich anerkannte Idiot" sagt so kluge Sachen wie: "Krieg ist nur für reiche Leute". Oder eine andere Szene: Er sucht vergeblich die Front, obwohl der Krieg "nebenan" stattfindet, läuft dabei im Kreise und findet so auf einem alten Leiterwagen seine Pfeife mit Tabaksbeutel wieder, die er dort vergessen hatte, und zieht daraus die Erkenntnis: "Es hat alles seinen tiefen Sinn!"

Schwejk Joseph ist eine so schillernde Figur, daß ich nach einer abgedrehten Szene immer traurig war, weil ich sie noch auf vielerlei andere Weise hätte spielen können. Schöne Szenen gab es so viele. Da war jene vom Ende "seines" Oberleutnants Lukas: Um beide tobt die Schlacht. Granaten explodieren. Der Hauptmann und Schwejk haben sich in Deckung geworfen. Der Offizier denkt an sein letztes Mädel in Prag, will solide werden, zwischen ihm und Schwejk spinnt sich der erste menschliche Kontakt an. Der Oberleutnant betrachtet wehmütig seinen Burschen, der ihm ein vierblättriges Kleeblatt überreicht: "Ich möcht' es lhnen schenken, weil es, hör ich, Glück bringen soll", da erst sieht Schwejk, daß Lukas sich nicht mehr rührt. Schwejk nimmt seinen geliebten Oberleutnant auf den Rücken und trägt ihn, ohne verwundet zu werden, durch einschlagende Granaten und Geschoßsplitter aus der Schlacht. Dabei bewahrheitet sich, was Lukas einmal zu ihm gesagt hat: "Schwejk, du bist so blöd, du bist unverwundbar, dich trifft keine Kugel."

Oder: Schwejk sitzt als vermeintlicher Spion im Gefängnis, und der Priester kommt, um ihm die letzten Stunden zu erleichtern, aber Schwejk begreift das nicht, sondern tröstet den Geistlichen, weil er glaubt, der wäre eingesperrt. Er fragte: "Sind Sie's erschte Mal hier?"

Als es ernst wird und er vor dem Erschießungskommando steht, fragt ihn der Offizier, ob er noch irgendeinen Wunsch habe. Schwejk: "Ja, ich habe eine Verabredung, melde gehorsamst, mit einem gewissen Woditschka um sechs Uhr nach dem Krieg im "Kelch". Vielleicht könnt man ihn wissen lassen, daß ich nicht kommen kann." Das wird abgelehnt, die schwarze Binde wird ihm vor die Augen gelegt. Im letzten Augenblick holt Schwejk die kleine Blecherkennungsmarke, die er um den Hals trägt, hervor und will sich die Nummer merken, weil er glaubt, sich damit, wenn er im Himmel ankommt, "unnötige Scherereien" ersparen zu können. Er beginnt eine Rede. Drei Wochen hab ich an dem gelernt, was jetzt kommt:

Eine Lokomotive in Petschek auf der Bahn am 16er Gleis hat die Nummer 4268 gehabt. Man hat sie wegschleppen sollen nach Lissa an der Elbe ins Depot zur Reparatur, aber es ist nicht so leicht gegangen, weil der Lokomotivführer ein sehr schlechtes Gedächtnis auf Nummern gehabt hat. Da hat ihm der Streckenmeister gesagt, wenn Sie so schwach auf Nummern sind, werd ich Ihnen zeigen, daß es sehr leicht ist, sich jede Nummer zu merken. Schauen Sie: Die Lokomotive hat die Nummer 4268. Geben Sic also acht: Die erste Nummer ist ein  Vierer, die zweite ein Zweier. Merken Sie also: vier, zwei. Das ist von vorn vier, geteilt durch zwei und wieder haben Sie vier und zwei nebeneinander. Wieviel ist zwei mal vier? Acht, nicht wahr'? Also graben Sie sich ins Gedächtnis ein, daß der Achter, was in Nummer 4268 ist, der letzte in der Reihe ist. Und jetzt merken Sie sich noch auf irgendeine gescheite Weise die Sechs, was vor der Acht kommt, das ist schrecklich einfach. Die erste Ziffer ist eine Vier, die zweite eine Zwei. Vier und zwei ist sechs. Die zweite vom Ende ist eine Sechs und schon schwindet uns die Reihenfolge der Ziffern nie mehr aus'm Gedächtnis. Wir haben die Nummer 4268 jetzt im Kopf. Sie können aber zum selben Resultat noch einfacher kommen; mit'm Dividieren. Wir rechnen uns den Koeffizienten nach dem Zolltarif aus.."

Dem Offizier wird es zu dumm, es erschallt das Kommando: "Achtung, legt an!" Schwejk, die Binde vor den Augen, steht stramm. Da geschieht das Wunder. Ein Wachtmeister kommt angeradelt, unterbricht, der Offizier schlägt die Hände zusammen, die Soldaten werfen ihre Gewehre weg. Brav steht der Soldat Schwejk an der Mauer und wartet auf seinen Tod. Glocken läuten. Mit wehender Soutane kommt der Pfarrer angelaufen: "Friede, Friede, es ist Friede!" Schwejk, immer noch die Binde vor Augen: "Was Sie nicht sagen, Herr Kurator. Und weiß man schon beiläufig, wer gewonnen hat?"

Ich ließ mich von diesem einmaligen Text ganz gefangennehmen, dachte nicht mehr so viel über das "Wenn und Aber" nach, gab mich jener Naivität hin, die Schwejk in so reichem Maße besitzt, dachte an Kortner und seinen Ausspruch: "Ein Schauspieler darf nicht denken", was ich aber im allgemeinen nicht unterschreibe, und summte das Lied vor mich hin, das mir sowieso nicht mehr aus dem Kopf ging, seit ich es als Schwejk bereitwillig und fröhlich bei der Untersuchung den Militärärzten vorgesungen hatte:

"Der kleine Mensch im Lehnstuhl durt, blickt nieder in tiefem Sinnen;
zwei bittre heiße Tränen furt über seine Wangen rinnen.
Oh, kleiner Mensch, was weinest du?
was weinest du?
was weinest du..."

Verschämt bricht Schwejk ab und gesteht: "Weiter weiß ich nicht!"

Als Quelle diente Heinz Rühmanns Erinnerungen "Das war's", erschienen im Ullstein-Verlag 1982.

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