Die Geschichte vom Binger Bleistift

(an einem Haus in der Hasengasse)

 

Im Rathaus saß mit den weisen Herrn
der Bürgermeister von Bingen
und wollte ihrer Weisheit Kern
gern zu Papier schnell bringen.

Da spricht er und blickt im Kreis herum
"Ich habe den Bleistift vergessen!"
Doch alle Herren bleiben stumm,
sie finden die Frage vermessen.

Es schüttelt den Kopf ein jeder auch
und niemand läßt sich rühren:
"Noch niemals war es bei uns Brauch
den Bleistift mitzuführen!"

Ein Diener eilt, bringt einen herbei,
wohlweislich wird alles beschlossen.
"Nun werde die trockene Zunge frei,
und mit edlem Wein begossen."

"Ratsdiener, hol aus dem Keller uns Wein!"
befiehlt der Bürgermeister.
"Den Riesling, den "Schwätzer", schenke uns ein,
damit er belebe die Geister!"

Der Bürgermeister fragt wiederum:
"Wer öffnet die vielen Flaschen?"
Da greifen die Ratsherren lächelnd stumm
wohl alle in ihre Taschen.

Bald füllen die Pfropfenzieher den Tisch,
so lang wie die Reihe der Zecher,
den Flaschen entsprudelt der Schwätzer frisch,
kreist perlend im vollen Becher.

Da spricht das Haupt der Stadt und lacht:
"Ihr weisen Ratsherrn von Bingen!
Das habt ihr wieder vortrefflich gemacht,
mein Glas will ich euch bringen."

Und wo man am Rheine im Zecherkreis
den Kork aus der Flasche muß zwingen
da tönt es dem Pfopfenzieher zum Preis:
"Bring uns den Bleistift von Bingen!"

 

Diese Geschichte soll sich angeblich 1752 abgespielt haben. Dabei ging es um eine Entscheidung, wo den Bingern vom Mainzer Domkapitel Arbeiten an der Straße nach Weiler auferlegt wurden. Die Bürger haben vielleicht damit die Ratsherren verspottet, die wohl trinkfest, aber für wichtige Entscheidungen zu feige waren.

Der Binger Bleistift wird heute vom Binger Weinsenat verliehen.

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